Wollen und möchten

Einem Kind wird beigebracht, zu „möchten“, nicht zu „wollen“. Darüber habe ich nachgedacht, nachdem mir eine Kollegin schilderte, wie unmöglich sie es gefunden habe, als ihre Tochter zu ihr sagte: „Ich will ein Smartphone.“ Ich habe zuerst gar nicht verstanden, worum es ging, stellte dann aber fest, dass das eine übliche Sache ist: Es heißt nicht, „ich will“, sondern „ich möchte“.

 

Vor einigen Jahren, als ich näheren Kontakt zu meinem Neffen und meiner Nichte aufbaute, merkte ich solche durch meine Erziehung vermittelte Verhaltensweisen, die ich an die Beiden weitergegeben hätte, wenn ich nicht gemerkt hätte, welche Mechanismen dort ablaufen. Als ich das, und ein paar andere Dinge, an mir feststellte, hebelte ich das sofort aus. Da das nichts ist, was in mir starke Angst auslöst, konnte ich es schnell beheben und es für ewig ad acta legen.

 

So gibt es in meinem Leben nicht mehr die Beurteilung des Wollens. Aber das ist zweitrangig, erstrangig ist dies:

 

Einem Kind wird beigebracht, nicht zu wollen.

Manchmal wird ein Kind auch dahingehend erzogen, dass die Eltern versuchen, den Willen des Kindes zu brechen.

Es geht nicht darum, was das Kind will. Es geht darum, was die Eltern wollen.

 

Mir ist etwas für mich Interessantes aufgefallen. Es gibt viele erwachsene Menschen, die gar nicht wissen, was sie wollen. Und auch in meinem Leben gibt es Bereiche, in denen ich nicht weiß, was ich wirklich will.

 

Wenn ein erwachsener Mensch nicht weiß, was er will, wird das negativ kommentiert:

„Der weiß auch nicht, was er will!“

„Sag doch mal, was Du willst!“

Usw.

 

Aber woher soll er das wissen? Er durfte ja nicht wollen. Das heißt: Als Kind ist das Wollen verpönt und beim Erwachsenen ist das Nicht-Wollen verpönt.

Für mich ist diese Erziehung, die ein Wort mit negativen Bewertungen besetzt, eine der vielen Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass wir erwachsenen Menschen unfrei sind und nicht wissen, was wir wollen.

 

Und ob mein Neffe oder meine Nichte sagen: „Ich will ein Eis“ oder „Ich möchte ein Eis“ ist mir scheißegal. Ich freue mich darüber, dass sie wissen, was sie wollen. Und ich freue mich darüber, wenn ich selbst weiß, was ich will.

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