Gewöhnung

Manchmal lese ich Beiträge von Menschen, die glauben, man gewöhne sich an etwas, wenn man es nur oft genug tut. Bei mir ist das nicht der Fall bzw. verschlimmert sich sogar:

 

- Seit über 30 Jahren schauen mich die Leute, mit denen ich zu tun habe, ständig an: Bei Gesprächen, bei Tätigkeiten, wenn ich rede, wenn sie reden – manche beugen sich sogar vor, als ob sie mein Gesicht erspähen wollen. Ich gewöhne mich nicht daran. Es ist mir immer unangenehm und manchmal ist es gar unerträglich und manchmal tut es mir sogar weh. Seit 30 Jahren passe ich mich daran an, dass die meisten Menschen in meiner Umgebung das Gucken nötig haben – ich habe mal eine Person darum gebeten, mich 5 Minuten beim Sprechen nicht anzusehen, es war ihr nicht möglich.

 

- Laute Geräusche: Seit 30 Jahren stört es mich, wenn jemand die Türen knallt, wenn jemand laut geht, laut redet, gar schreit, laut mit Geschirr klappert, pfeift, singt, irgendwelche sonstigen Geräusche macht. Ich habe mich nicht daran gewöhnt. Im Gegenteil, je öfter und langanhaltender es vorkommt, desto abartiger ist es mir.

 

- Nähe-Distanz-Verhältnis: Seit 30 Jahren habe ich ein anderes Nähe-Distanz-Verhältnis. Als Kind wollte ich schon nicht, dass mich irgendwelche Leute umarmen, anfassen, knuddeln etc. Seitdem ich selbst bestimmen kann, wer mich berührt, habe ich ständig das Bedürfnis, das Nähe-Distanz-Verhältnis bei Leuten zu ändern, neben denen ich sitze, stehe oder gehe.

 

Das liegt daran, dass ich Autist bin und dass ich in den aufgezählten Bereichen anders „ticke“. Das ist aber nicht nur bei Autisten so: Das Nähe-Distanz-Verhältnis ist z.B. bei Extrovertierten und Introvertierten ein anderes. Ebenso gibt es einige Hochsensible, die ähnlich auf Lautes, Buntes, Reizendes reagieren wie Autisten: Es ist zu viel.

 

Ich habe beschlossen, mich in einigen Bereich meines Lebens nicht mehr in ein Muster zwingen zu lassen. Gegen laute Geräusche gibt es Ohropax und beim Nähe-Distanz-Verhältnis kann ich darauf aufmerksam machen. Leute, die meinen, in meiner Wohnung laut sein zu müssen, bekommen keinen Zutritt mehr. Ich will nur noch bedachte, leise, angenehme Menschen in meine private Sphäre lassen.

 

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